Wissenschaftler des Allen-Instituts haben spezifische Zelltypen im Gehirn von Mäusen identifiziert, die sich im Laufe des Alterns stark verändern, sowie einen spezifischen Hotspot, an dem viele dieser Veränderungen auftreten. Die in der Zeitschrift Nature veröffentlichten Entdeckungen könnten den Weg für zukünftige Therapien ebnen, um den Alterungsprozess im Gehirn zu verlangsamen oder zu steuern.
Die wichtigsten Erkenntnisse
- Empfindliche Zellen: Die Wissenschaftler entdeckten Dutzende spezifischer Zelltypen, hauptsächlich Gliazellen, die als hirneigene Stützzellen bekannt sind und bei denen sich die Genexpression mit zunehmendem Alter erheblich veränderte. Zu den stark betroffenen Zellen gehörten Mikroglia und randständige Makrophagen, Oligodendrozyten, Tanyzyten und Ependymzellen.
- Entzündung und Neuronen-Schutz: In alternden Gehirnen nahmen die Aktivitäten von Genen, die mit Entzündungen in Verbindung stehen, zu, während die Aktivitäten von Genen, die mit der neuronalen Struktur und Funktion in Zusammenhang stehen, abnahmen.
- Hotspot des Alterns: Wissenschaftler entdeckten einen spezifischen Hotspot, der sowohl die Abnahme der neuronalen Funktion als auch die Zunahme der Entzündung im Hypothalamus vereint. Die signifikantesten Veränderungen der Genexpression wurden in Zelltypen in der Nähe des dritten Ventrikels des Hypothalamus festgestellt, darunter Tanyzyten, Ependymzellen und Neuronen, die für ihre Rolle bei der Nahrungsaufnahme, der Energiehomöostase, dem Stoffwechsel und der Art und Weise, wie unser Körper Nährstoffe nutzt, bekannt sind. Dies deutet auf einen möglichen Zusammenhang zwischen Ernährung, Lebensstilfaktoren, Gehirnalterung und Veränderungen hin, die unsere Anfälligkeit für altersbedingte Hirnerkrankungen beeinflussen können.
Detaillierte Karte zeigt, welche Gehirnzellen am stärksten vom Altern betroffen sein könnten
„Unsere Hypothese ist, dass diese Zelltypen immer weniger effizient Signale aus unserer Umwelt oder von Dingen, die wir konsumieren, integrieren können“, sagte Kelly Jin, Ph.D., Wissenschaftlerin am Allen Institute for Brain Science und Hauptautorin der Studie. Und dieser Effizienzverlust trägt laut den Forschern irgendwie zu dem bei, was wir als Alterungsprozess im Rest unseres Körpers kennen. Für die Durchführung der Studie, die von den National Institutes of Health (NIH) finanziert wurde, verwendeten die Forscher modernste Einzelzell-RNA-Sequenzierung und fortschrittliche Brain-Mapping-Tools, die im Rahmen der BRAIN Initiative® des NIH entwickelt wurden, um über 1,2 Millionen Gehirnzellen von jungen (zwei Monate alten) und alten (18 Monate alten) Mäusen in 16 breiten Hirnregionen zu kartieren.
Die alten Mäuse entsprechen nach Ansicht der Wissenschaftler einem Menschen im späten mittleren Alter. Mäusegehirne weisen in Bezug auf Struktur, Funktion, Gene und Zelltypen viele Ähnlichkeiten mit menschlichen Gehirnen auf. „Das Altern ist der wichtigste Risikofaktor für die Alzheimer-Krankheit und viele andere verheerende Gehirnerkrankungen. Diese Ergebnisse liefern eine sehr detaillierte Karte, welche Gehirnzellen am stärksten vom Altern betroffen sein könnten“, erklärte Richard J. Hodes, M.D., Direktor des National Institute on Aging der NIH. Diese neue Karte könnte die Art und Weise, wie Wissenschaftler über die Auswirkungen des Alterns auf das Gehirn denken, grundlegend verändern und bietet auch einen Leitfaden für die Entwicklung neuer Behandlungsmethoden für altersbedingte Gehirnerkrankungen.
Ein Weg zu neuen Therapien
Das Verständnis dieses Hotspots im Hypothalamus macht ihn zu einem Schwerpunkt für zukünftige Studien. Zusammen mit dem Wissen, welche Zellen gezielt angegangen werden müssen, könnte dies zur Entwicklung altersbedingter Therapeutika führen, die dazu beitragen, die Funktion zu erhalten und neurodegenerativen Erkrankungen vorzubeugen. Die Forscher haben die Absicht, Instrumente zu entwickeln, die auf diese Zelltypen abzielen können. Laut Dr. Hongkui Zeng, Executive Vice President und Direktor des Allen Institute for Brain Science stellt sich die Frage, ob sich der Alterungsprozess verzögern lässt, wenn man die Funktion dieser Zellen verbessert. Die neuesten Erkenntnisse stimmen auch mit früheren Studien überein, die Alterung mit Stoffwechselveränderungen in Verbindung bringen, sowie mit Forschungsergebnissen, die darauf hindeuten, dass intermittierendes Fasten, eine ausgewogene Ernährung oder Kalorienreduzierung die Lebensspanne beeinflussen oder vielleicht sogar verlängern können. Frühere Forschungen haben u.a. ergeben, dass das Gehirn von einer ketogenen Ernährung profitieren könnte, da sie die Gedächtnisleisung verbessert.
Diese Studie legt den Grundstein für neue Strategien in der Ernährung und therapeutische Ansätze, die darauf abzielen, die Gesundheit des Gehirns bis ins hohe Alter zu erhalten, sowie für weitere Forschung über die Komplexität des fortgeschrittenen Alterns im Gehirn. Während Wissenschaftler diese Zusammenhänge weiter erforschen, könnte die Forschung spezifischere diätetische oder medikamentöse Interventionen zur Bekämpfung oder Verlangsamung des Alterns auf zellulärer Ebene erschließen.„Das Wichtigste an unserer Studie ist, dass wir die Hauptakteure – die echten Hauptakteure – und die biologischen Substrate für diesen Prozess gefunden haben“, so Zeng. “Wenn man die Teile dieses Puzzles zusammensetzt, muss man die richtigen Akteure finden. Es ist ein schönes Beispiel dafür, warum man das Gehirn und den Körper auf dieser Art von zelltypspezifischer Ebene untersuchen muss. Andernfalls könnten Veränderungen, die in bestimmten Zelltypen stattfinden, gemittelt und unentdeckt bleiben, wenn man verschiedene Zelltypen miteinander vermischt.“