Wenn Ärzte mehr über das Risiko eines Patienten für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erfahren möchten, können sie einen kardiologischen Belastungstest anordnen. Aber wenn es um das Schlaganfallrisiko geht, gibt es keinen gleichwertigen skalierbaren und kostengünstigen Test der Gehirnfunktion, der Ärzten dabei helfen könnte, Patienten über ihr potenzielles Risiko zu beraten. Ein Fragebogen, in dem Patienten nach Risikofaktoren befragt werden, ist derzeit das beste Instrument zur Einschätzung eines solchen Risikos.
Nun hat ein Team aus Ingenieuren und Wissenschaftlern des Caltech und der Keck School of Medicine der USC ein Headset-basiertes Gerät entwickelt, mit dem das Schlaganfallrisiko eines Patienten nicht-invasiv beurteilt werden kann, indem Veränderungen des Blutflusses und -volumens überwacht werden, während der Teilnehmer den Atem anhält. Das Gerät verfügt über ein laserbasiertes System und hat vielversprechende Ergebnisse bei der Unterscheidung zwischen Personen mit niedrigem und hohem Schlaganfallrisiko gezeigt.
Neue Technik könnte die Art und Weise, wie das Schlaganfallrisiko bewertet wird, revolutionieren
Pro Jahr erleidet etwa 1 von 1000 Menschen einen Schlaganfall. Das Risiko steigt mit dem Alter. Männer sind im Durchschnitt etwas häufiger betroffen. Ein Schlaganffall wird durch die Verstopfung oder den Riss einer Arterie im Gehirn verursacht, was zu einer Verringerung des Blutflusses führt. Die Gehirnzellen sterben schnell ab, weil sie nicht mehr mit Sauerstoff versorgt werden – während eines Schlaganfalls etwa 2 Millionen pro Minute. Auch wenn man den Schlaganfall überlebt, kann es in Folge zu körperlichen Beeinträchtigungen wie Sprach- und Sehstörungen, Beeinträchtigungen von Aufmerksamkeit und Konzentration sowie Lähmungen auf einer Körperseite oder Schluckproblemen kommen.
Die Forscher rund um Simon Mahler, einer der Hauptautoren eines Artikels, der neue Technik und das neue Gerät in der Zeitschrift Biomedical Optics Express beschreibt, und Postdoktorand im Labor von Changhuei Yang, Thomas G. Myers Professor für Elektrotechnik, Bioingenieurwesen und Medizintechnik am Caltech und Forscher am Heritage Medical Research Institut, haben mit diesem Gerät zum ersten Mal die Möglichkeit, anhand einer physiologischen Messung festzustellen, ob das Risiko, dass jemand in Zukunft einen Schlaganfall erleidet, signifikant ist oder nicht. Die Experten glauben, dass dies die Art und Weise, wie das Schlaganfallrisiko bewertet wird, wirklich revolutionieren kann und Ärzten letztendlich dabei helfen wird, festzustellen, ob das Risiko eines Patienten stabil ist oder sich verschlechtert.
„Unsere optische Technologie zur nichtinvasiven Messung des Blutflusses wird voraussichtlich für eine Reihe von Anwendungen bei Gehirnerkrankungen nützlich sein“, sagt Yang, der auch leitender Angestellter für Elektrotechnik am Caltech ist. Er wies darauf hin, dass dieses Projekt Teil einer größeren Zusammenarbeit mit Dr. Charles Liu, Professor für klinische neurologische Chirurgie, Chirurgie, Psychiatrie und Verhaltenswissenschaften sowie biomedizinische Technik an der Keck School of Medicine der USC, und seinem Team ist.
Optische Speckle-Kontrastspektroskopie zur Bewertung des Risikos
Im Allgemeinen werden Blutgefäße mit zunehmendem Alter steifer, d. h. es fällt ihnen schwerer, sich zu erweitern, um Blut durchzulassen. Dies wiederum bedeutet, dass die Person anfälliger für Schlaganfälle ist. Das Caltech-Team hat ein kompaktes Gerät entwickelt, das Infrarotlaserlicht durch den Schädel und in das Gehirn an einer Stelle strahlt und dann eine spezielle Kamera in der Nähe verwendet, um das Licht zu sammeln, das zurückgeworfen wird, nachdem es durch das in den Blutgefäßen fließende Blut gestreut wurde. Bei diesem Ansatz, der als optische Speckle-Kontrastspektroskopie (SCOS) bezeichnet wird, wird die Abnahme der Lichtintensität von der Stelle, an der das Licht in den Schädel eintritt, bis zu jener Stelle, an der das zurückgeworfene Licht gesammelt wird, gemessen, um das Blutvolumen in den Blutgefäßen des Gehirns zu bestimmen. Außerdem wird untersucht, wie das Licht gestreut wird und Flecken im Sichtfeld der Kamera erzeugt. Die Flecken schwanken in den Bildern je nach Blutflussrate in den Blutgefäßen. Je schneller das Blut fließt, desto schneller ändert sich das Fleckfeld.
Anhand dieser Messungen können die Forscher das Verhältnis zwischen dem Blutfluss und dem Blutvolumen, das durch das Gefäß strömt, berechnen, um eine Vorstellung vom Schlaganfallrisiko des Patienten zu erhalten. Das Team führte eine Studie mit 50 Teilnehmern durch. Sie verwendeten den derzeit verwendeten Fragebogen zum Schlaganfallrisiko, den Cleveland Stroke Risk Calculator, um die Teilnehmer in zwei Gruppen einzuteilen: eine mit niedrigem und eine mit hohem Risiko. Anschließend wurde bei jedem Probanden drei Minuten lang die Durchblutung gemessen, um die Durchflussrate und das Blutvolumen, das das Gehirn erreicht, zu quantifizieren. Nach einer Minute wurden die Teilnehmer gebeten, die Luft anzuhalten.
Das Anhalten des Atems belastet das Gehirn, da es zu bemerken beginnt, dass es zu viel Kohlendioxid und zu wenig Sauerstoff aufnimmt. Es geht in den von Mahler als „Panikmodus“ bezeichneten Zustand über und beginnt, Sauerstoff aus dem Rest des Körpers zu sich selbst zu pumpen. Dadurch wird die Durchblutung des Gehirns stark erhöht. Sobald man aufhört, den Atem anzuhalten, kehrt der Sauerstoffgehalt zum Ausgangswert zurück. Während dies sowohl bei Menschen mit niedrigem als auch mit hohem Schlaganfallrisiko geschieht, stellten die Forscher fest, dass es Unterschiede zwischen den Gruppen in Bezug darauf gab, wie sich das Blut durch die Gefäße bewegte. Mit der SCOS-Technik können die Forscher messen, wie stark sich die Blutgefäße ausdehnen, während die Testperson den Atem anhält, und wie viel schneller das Blut daraufhin durch die Gefäße fließt. „Diese reaktiven Messungen sind laut den Forschern ein Indikator für die Gefäßsteifigkeit. Diese Technologie ermöglicht es erstmals, diese Art von Messungen nicht invasiv durchzuführen.
Technologie mit Zukunft
Die Forscher haben eindeutige und auffällige Belege für eine unterschiedliche Reaktion des Blutflusses und des Blutvolumens zwischen den beiden Gruppen gefunden. In der Gruppe mit geringem Schlaganfallrisiko beobachteten sie während der Atemübung einen geringeren Anstieg des Blutflusses im Vergleich zur Gruppe mit hohem Schlaganfallrisiko, aber einen größeren Anstieg des Blutvolumens – ein Hinweis darauf, dass mehr Blut durch die erweiterten Blutgefäße fließen kann. Die Forscher können deutlich sehen, dass die Gruppe mit höherem Risiko ein höheres Verhältnis von Durchfluss zu Volumen aufweist, d. h. sie haben einen schnelleren Durchfluss, aber ein geringeres Blutvolumen während des Atemanhaltens. Dies wird durch die Steifheit der Blutgefäße verursacht und deutet auf ein höheres Risiko für einen Riss hin. Wenn jemand mit einem extrem hohen Wert für das Verhältnis von Durchfluss zu Volumen zu uns kommt, lässt sich vermuten, dass diese Person in naher Zukunft einen Schlaganfall erleiden wird.
Das Team führt weitere Untersuchungen mit dem aktuellen Prototyp des Bildgebungsgeräts an Patienten in einem Krankenhaus in Visalia, Kalifornien, durch, um zusätzliche Daten von einer größeren, vielfältigeren Population zu sammeln. Die Forscher planen außerdem, maschinelles Lernen in den Datenerfassungsprozess des Geräts zu integrieren und eine klinische Studie durchzuführen, bei der Patienten über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren nachverfolgt werden, um die Technologie zu verbessern. Sie hoffen, dass das Gerät letztendlich nicht nur für die Voruntersuchung des Schlaganfallrisikos, sondern auch zur Erkennung von bereits eingetretenen Schlaganfällen eingesetzt werden kann.