Wie Krebszellen das Immunsystem austricksen, indem sie die Mitochondrien verändern

Die Immuntherapie, bei der programmierte Immunzellen eingesetzt werden, um Krebszellen selektiv zu zerstören, hat die Krebsbehandlung revolutioniert. Allerdings haben Krebszellen Strategien zur Umgehung des Immunsystems entwickelt, was zu schlechten Behandlungsergebnissen führt. Jetzt haben Forscher aus Japan die Übertragung von Mitochondrien mit mutierter DNA von Krebszellen auf Immunzellen als einen Schlüsselmechanismus der Umgehung des Immunsystems und der Resistenz gegen Immuntherapie identifiziert. Die Bekämpfung dieser Übertragung könnte die Wirksamkeit der Krebsimmuntherapie erhöhen.

Forscher entdecken den mitochondrialen Transfer zwischen Krebszellen und Immunzellen als eine wichtige Strategie zur Umgehung des Immunsystems

Das Immunsystem spielt eine Schlüsselrolle bei der Erkennung und Zerstörung von Krebszellen. Die Krebsimmuntherapie funktioniert, indem Immunzellen so programmiert werden, dass sie Krebszellen erkennen und eliminieren. Viele Krebsarten können sich jedoch durch verschiedene Mechanismen der Immunüberwachung entziehen, was zu einer Resistenz gegen die Behandlung führt. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, die molekularen Prozesse, die eine Immunevasion ermöglichen, besser zu verstehen. Die Tumormikroumgebung (TME) – der Raum, der einen Tumor umgibt – spielt eine entscheidende Rolle bei den Interaktionen zwischen Krebs- und Immunzellen. Krebszellen können die TME zu ihrem Vorteil umgestalten und tumorinfiltrierende Lymphozyten (TILs), die Immunzellen, die den Tumor angreifen, schwächen.

Mitochondrien, auch als „Kraftwerke der Zelle“ bekannt, sind kleine Organellen, die Energie für verschiedene zelluläre Prozesse produzieren. Sie spielen eine wichtige Rolle bei der metabolischen Reprogrammierung von Krebszellen und tumorinfiltrierenden Lymphozyten. Die genauen Mechanismen, die der mitochondrialen Dysfunktion und ihren Auswirkungen auf die Tumormikroumgebung zugrunde liegen, sind jedoch kaum erforscht. Um diese Wissenslücke zu schließen, hat ein Forscherteam unter der Leitung von Professor Yosuke Togashi von der Okayama-Universität in Japan neue Erkenntnisse über die mitochondriale Dysfunktion bei der Immunevasion von Krebs gewonnen. In Zusammenarbeit mit Tatsuya Nishi und Tomofumi Watanabe von der Okayama University sowie Hideki Ikeda, Katsushige Kawase und Masahito Kawazu vom Chiba Cancer Center Research Institute identifizierte das Team den mitochondrialen Transfer als einen Schlüsselmechanismus der Immunevasion. Prof. Togashi erklärt: „Wir haben den mitochondrialen Transfer als einen der Schlüsselmechanismen der Immunevasion entdeckt. Unsere Forschung fügt dem Verständnis, wie Tumore Immunreaktionen widerstehen, eine neue Dimension hinzu, was möglicherweise zur Entwicklung umfassenderer und maßgeschneiderterer Ansätze bei der Behandlung verschiedener Krebsarten führen wird.“

Mitochondrien tragen ihre eigene DNA (mtDNA), die Proteine kodiert, die für die Energieerzeugung und -übertragung von entscheidender Bedeutung sind. Die mtDNA ist jedoch anfällig für Schäden, und Mutationen in der mtDNA können das Tumorwachstum und die Metastasierung fördern. In dieser Studie untersuchten die Forscher TILs von Krebspatienten und stellten fest, dass sie dieselben mtDNA-Mutationen wie die Krebszellen enthielten. Weitere Analysen ergaben, dass diese Mutationen mit abnormalen mitochondrialen Strukturen und Funktionsstörungen in TILs zusammenhingen. Mit einem Fluoreszenzmarker verfolgten die Forscher die Bewegung der Mitochondrien zwischen Krebszellen und T-Zellen. Sie stellten fest, dass Mitochondrien über direkte Zell-zu-Zell-Verbindungen, sogenannte Tunnel-Nanoröhrchen, sowie durch extrazelluläre Vesikel übertragen wurden. Sobald sie sich in den T-Zellen befanden, ersetzten die vom Krebs stammenden Mitochondrien allmählich die ursprünglichen Mitochondrien der T-Zellen, was zu einem Zustand führte, der als „Homoplasmie“ bezeichnet wird und bei dem alle mtDNA-Kopien in der Zelle identisch sind.

Neue Erkenntnisse könnten den Weg für wirksamere Therapien in Zukunft ebnen

Normalerweise werden beschädigte Mitochondrien in TILs durch einen Prozess namens Mitophagie entfernt. Von Krebszellen übertragene Mitochondrien schienen diesem Abbau jedoch zu widerstehen. Die Forscher entdeckten, dass mit den Mitochondrien auch Faktoren übertragen wurden, die die Mitophagie hemmen und so deren Abbau verhinderten. Infolgedessen kam es bei den TILs zu einer mitochondrialen Dysfunktion, die zu einer verminderten Zellteilung, Stoffwechselveränderungen, erhöhtem oxidativem Stress und einer beeinträchtigten Immunantwort führte. In Mausmodellen zeigten diese dysfunktionalen TILs auch eine Resistenz gegen Immun-Checkpoint-Inhibitoren, eine Art der Immuntherapie.

Durch die Identifizierung des mitochondrialen Transfers als neuartigen Mechanismus zur Umgehung des Immunsystems eröffnet diese Studie neue Möglichkeiten zur Verbesserung der Krebsbehandlung. Die Blockierung des mitochondrialen Transfers könnte die Immuntherapie-Reaktion verbessern, insbesondere bei Patienten mit behandlungsresistenten Krebserkrankungen. Krebstherapien sind oft mit hohen Kosten und erheblichen Nebenwirkungen verbunden, insbesondere, wenn sie unwirksam sind. Eine Steigerung des Erfolgs der Immuntherapie durch Hemmung des mitochondrialen Transfers könnte die Belastung durch Krebs verringern und die Behandlungsergebnisse für Patienten verbessern. Diese Entdeckung bietet spannende neue Einblicke in die Krebsbiologie und könnte den Weg für wirksamere Therapien in der Zukunft ebnen.

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